Martin Neukom, 11.02.2014
Stellt euch mal vor, man würde beginnen, die Mobilität zwischen den Kantonen zu kritisieren. Mal stelle sich mal vor, Christof Blocher würde verkünden, es habe zu viele Aargauer im Kanton Zürich und man müsse Kontingente einführen. Andreas Kyriacou hat dies bereits scherzhaft gefordert auf Facebook, um auf diese Absurdität hinzuweisen.
Man würde sagen, dass die Aargauer den Wohlstand von Zürich beeinträchtigen und uns die Arbeitsplätze wegnehmen. Das tönt unglaublich absurd, vermutlich sogar für hartgesottene Kantönligeistler.
Aber genau so geht es mir gerade. Ich finde diese Situation total absurd, dass die Schweiz Kontingenten einführen will für Menschen von einem anderen Land.
Die Absurdität
Eben noch war ich in Brüssel, Wien, München, Paris, Sofia, Belgrad. Ich habe Bekannte in vielen Teilen von Europa. Ich arbeite in einer Firma, die Teil ist von internationalen Forschungsgruppen und ihre Produkte ausschliesslich im weltweiten Ausland verkauft. Ich mache ein Fernstudium in Deutschland.
Und da kommt plötzlich eine „Mehrheit“ und verlangt, dass es Regeln gibt, dass einer aus Konstanz nicht mehr in Kreuzlingen arbeiten darf. Lieber Leser, entschuldige, dass ich diese Absurdität, mit der ich hier konfrontiert bin, kaum beschreiben kann.
Das Boot ist voll
„Aber es hat keinen Platz mehr!“, schreien mir die Kleingeistlichen entgegen. Die Schweiz ist voll. „Luged Si mal, de Velostände isch völlig überfüllt! Me dörf eifach nöd eso vil inela“, sagte mir mit ernster Miene ein Mann Mitte vierzig als ich am Stand der Grünen Flyer verteilte.
Ich werde hier nicht nochmals die Argumente aufrollen, warum alle Behauptungen falsch sind. Lieber ein Vergleich mit dem Ausland, da wir schon dabei sind: Es gibt Städte in Europa, da wäre der Begriff Dichtestress vielleicht angebracht. Im Ballungszentrum von Athen mit seinen 4 Millionen Einwohnern, in den Vororten von Paris und London vielleicht - da könnte ich es verstehen, wenn man von Dichtestress spricht. Aber in der Schweiz? Österreich hat ähnliche viele Einwohner wie die Schweiz und ein Viertel davon lebt in der Stadt Wien. Gibt es da Dichtestress? (Gut, die Österreicher haben mit Strache noch ganz andere Probleme, aber darauf will ich nun nicht eingehen.) Es haben auch 10 Millionen Leute Platz in der Schweiz.
Wie weiter?
Ich stelle fest, dass 28.4% der Stimmberechtigten in der Schweiz (die Mehrheit der 56.5%, die zur Urne gingen) ein ganz anderes Bild der Schweiz haben. Ich vermute, die meisten haben die Konsequenzen auch nicht wirklich verstanden und einfach aus Protest Ja gestimmt.
Die vollen politischen Auswirkungen werden sich erst im Laufe der Zeit ergeben. Der bilaterale Weg ist wohl am Ende - so oder so. Nun müssen wir (die Kräfte, die für eine offene Schweiz einstehen) neue Wege aufzeigen. Wir müssen beginnen zu überlegen, in welcher Form wir uns einen EU-Beitritt vorstellen können oder welche anderen Möglichkeiten uns offen stehen, eine Isolation zu verhindern.
![]() | Martin Neukom Kantonsrat Zürich |
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Im September 2012 trat ich als Präsident der Jungen Grünen Schweiz nach 4 Jahren Amtszeit zurück.
Seit April 2014 sitze ich im Zürcher Kantonsrat für die Grünen und bin in der Kommission für Planung und Bau (KPB).
Ich arbeite in der Forschung an organischen Sollarzellen und studiere Phot...