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Weltflüchtlingstag: 100 Millionen Flüchtende und Europa schottet sich ab

Mechthild Mus, 20.06.2022

2022 sind weltweit erstmals über 100 Millionen Menschen auf der Flucht, wie ein UNHCR-Bericht von letzter Woche zeigt. Das bedeutet, dass einer von 78 Menschen weltweit auf der Flucht ist, das sind mehr als doppelt so viele Menschen wie noch 2012.


Was auch im Bericht steht: Über die Hälfte aller Geflüchteten sind innerhalb eines Landes auf der Flucht. Von denen, die über eine internationale Grenze geflüchtet sind leben 72% in einem Nachbarland und 83% in einem Entwicklungsland. Die SVP-Erzählungen von einer drohenden Masseneinwanderung in die Schweiz sind haltlos, über ¾ aller Geflüchteten aus Syrien leben auch heute noch in der Türkei, im Libanon und in Jordanien und eine Umfrage unter diesen syrischen Geflüchteten hat ergeben, dass 70% von ihnen hoffen, bald wieder nach Syrien zurückkehren zu können. Menschen flüchten nicht freiwillig und viele Geflüchtete würden eigentlich gerne so schnell wie möglich in ihr Heimatland zurückkehren. Das ist aber nicht möglich, solange dort Krieg, Instabilität, Gewalt und Armut herrschen. Laut UNHCR gibt es zwei weitere nachhaltige Lösungen für Geflüchtete, wenn eine sichere Rückkehr unmöglich ist: Entweder eine Integration in Erstaufnahmeland, oder, wenn auch diese Option aussichtslos ist, Resettlement. Das Resettlement Programm des UNHCR ermöglicht es Drittstaaten (wie der Schweiz) meist besonders vulnerable Geflüchtete, z.B. Kinder oder Überlebende von Folter, aus Erstaufnahmeländern, in denen sie kaum Perspektiven haben, aufzunehmen. Grundsätzlich eine gute Idee, aber von allen Geflüchteten die 2021 im Resettlement Programm waren wurden nur 4% von Drittstaaten aufgenommen. Das bedeutet konkret, dass über 1,3 Millionen besonders schutzbedürftige Geflüchtete weiterhin unter katastrophalen Bedingungen in irgendwelchen Lagern ausharren müssen, und das weil beispielsweise die Schweiz sich nicht einmal bereiterklärt, 2000 Menschen aufzunehmen. 

 

Immer mehr Menschen müssen weltweit vor Krieg, Verfolgung und Elend flüchten und diese Situation wird künftig auch die fortschreitende Klimakrise weiter verschlimmern. Schon 2021 flüchteten weltweit 23 Millionen Menschen wegen der Klimakrise, bis 2050 werden es je nach Studie über 200 Millionen Menschen, vielleicht sogar eine Milliarde Menschen sein. Aber statt die CO2 Emissionen drastisch zu senken, globale Konflikte zu lösen oder aufzuhören, den globalen Süden systematisch auszubeuten schottet Europa sich immer weiter ab. Die Geflüchteten selbst werden zum Problem gemacht, die eigentlichen Probleme werden nicht angegangen. Und die Folgen dieser Politik sind tödlich: 48’000 Menschen sind in den letzten 30 Jahren beim Versuch nach Europa zu flüchten gestorben. Hunderttausende Menschen leben seit Jahren unter unwürdigen Bedingungen in Lagern an den europäischen Aussengrenzen. 

 

Flucht ist kein Verbrechen! Jeder Mensch hat das Recht, in einem anderen Land einen Asylantrag zu stellen und dort würdig behandelt zu werden. Wir dürfen nicht länger zulassen, dass diese grundlegenden Rechte ausgehebelt werden, dass Pushbacks im Mittelmeer Normalität sind, dass Geflüchtete im Balkan zusammengeschlagen und an der türkischen Grenze erschossen werden, dass zivile Seenotrettungsschiffe in Italien festgehalten werden - und das alles, während die Bürgerlichen sich freuen, wenn es immer weniger Geflüchtete bis in die Schweiz schaffen.

 

Über den Autor

Mechthild Mus

Co-Präsidium Junge Grüne Aargau
Vorstand Junge Grüne Schweiz

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